Montag, 10. Mai 2010

Alte Minderwertigkeitskomplexe!

Mir fällt im Coaching und auch in meinem Yoga-Unterricht sehr oft auf, das die Kunden, Schüler oder Teilnehmer den Lehrer oft aus der Perspektive des "Alleskönners" betrachten. Da kann dann leicht zu Frustrationen führen, besonders wenn das angestrebte Coaching-Ziel nicht so schnell erreicht wird. Unterstützt wird diese Frustration auch, wenn der Coach viel von seinen eigenen Erfolgen spricht. Deshalb bin ich in der Krisenberatung schon seit längerem dazu übergegangen, meinen Kunden auch von meinen Misserfolgen zu berichten. Im Vordergrund steht dabei meine persönliche Lebensphilosophie, das es "Superhelden" nur im Kino gibt und wir alle im Alltag letztendlich mit den gleichen Problemen "kämpfen". Im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung sind dies meistens negative Gewohnheiten - aufgebaut und gut entwickelt innerhalb von Jahren - die wir dann im Rahmen einer Weiterbildungsmassnahme am liebsten von heute auf morgen ablegen würden.

Und warum das meistens nicht klappt beschreibe ich am liebsten an eigenen Beispielen. Anfangs hatte ich gedacht, ich mache mich lächerlich, wenn ich meinen Kunden berichte, das ich auch eine Verhaltensveränderungen bei mir selbst noch nicht verwirklichen konnte. Schließlich erwartet man doch von einem Coach, das er es besser kann, als sein "Kunde". So dachte ich auch über lange Jahre, bis mir eines Tages eine Führungskraft im Rahmen eines ZRM-Coaching sagte, das ihr ein Coach der seine eigenen Fehler zugeben kann lieber sein, als jemand, der sich selbst als "Heiliger" verkauft.

In Deutschland scheint es mir immer noch schwierig zu sein, über Niederlagen und "Scheitern" zu sprechen. Das merke ich immer wieder, wenn z.B. in XING eine Umfrage starte und z.B. nach Erfolgsbeispielen im Abnehmen frage. Ruck Zuck kommen ganz viele Erfolgsmeldungen Meldungen zurück, die ich auch alle mit Erlaubnis abdrucken darf. Frage ich jedoch nach Beispielen, wo es nicht geklappt hat, eine Verhaltensweise zu verändern; tja dann trudeln nur noch ganz wenige Rückmeldungen ein. Über Niederlagen zu schreiben scheint also nicht ganz so beliebt zu sein. Deshalb möchte ich das ändern.

Ich selbst kann mich gut und gerne als absoluter Experte im Scheitern beim Verändern von negativen Gewohnheiten bezeichnen. Für mich ist nur wichtig, das ich es beim nächsten Mal wieder versuche und dabei über mich selbst lachen kann. Insgesamt betrachtet kann ich sagen, das es mir zwar gelungen ist, mehr negative Gewohnheiten an mir zu verändern, aber das es immer noch jede Menge Gewohnheiten gibt, die ich liebend gerne von heute auf morgen verändern möchte. Obwohl ich weiß, das das so nicht funktioniert. Lassen Sie uns also heute über meinen Versuch sprechen, keine Bücher mehr über "Selbstcoaching" zu kaufen. Bis heute hat es immer noch geklappt. Und das, obwohl mich in der Zwischenzeit schon wieder drei neue Exemplare verführerisch angelächelt haben.

Wie habe ich hinbekommen? Ganz schwierig! Die Vorbereitungen zu diesem Blog hier laufen ja schon seit über vier Jahren. In diesem Zeitraum habe ich sehr genau über alle meine negativen Gewohnheiten eine Art Tagebuch geführt. Ich wollte im Rahmen meines Selbst-Coaching-Versuches herausfinden, wie gut oder schlecht es mir selbst gelingt, mich so verändern, das ich mich häufiger so verhalten kann, wie ich es gerne möchte. Ich wollte einfach nicht länger Sklave meiner Gewohnheiten sein. Und sich aus dieser Gefangenschaft zu befreien, war und ist für mich ein riesiges Abenteuer.

Aber selbst auf Abenteuerreisen kann es manchmal ganz schnell gehen. Durch meine Aufzeichnungen hatte ich herausgefunden, das ich besonders von Selbstcoaching-Büchern zum Kauf verführt werde, die von berühmten oder sehr bekannten Autoren mit Doktor-Titel geschrieben worden sind. Diese Bücher schleppte ich dann meistens mit Ehrfurcht nach Hause in mein Büro. Anschließend stoppte ich die Arbeit an meinem eigenen Projekt und widmete mich dem neuen Buch in meiner Sammlung. Nur um anschließend festzustellen, das die berühmten Autoren erstens auch nicht schlauer sind als ich, zweitens das sie meistens nur über Erfolge sprechen und so gut wie nie über Ihre Niederlagen. Dieses Spiel betrieb ich ziemlich lange, vermutlich hat es deshalb auch vier Jahre gedauert, bis ich diesen Blog hier gestartet habe.

Im Prinzip war mir das das Muster nach dem diese negative Gewohnheit abläuft, schon längst klar. Doch erst als ich eines Tages zufällig auf das Buch: "Trost der Philosophie" von Alain de Botton gestoßen bin, ist mir klar geworden, das dies ein hausgemachter Minderwertigkeitskomplex ist, in den ich mir hier reingesteigert hatte. Und wahrlich, ich fand sogar noch viel mehr als nur Trost in der Philosophie. In dem ich mich in den Geschichten im Buch wiedererkannte, konnte ich mich von einem Tag auf den anderen von meiner negativen Gewohnheit befreien. Das Buch ist so lustig geschrieben und die Charaktere aus den einzelnen Beispielen sind absolut skurril. Und so "minderwertig" wollte ich dann doch nicht sein. Und von einem Tag auf denen anderen hatte ich komplett das Interesse verloren, ständig danach zu schauen, was die anderen schreiben.

Das war jetzt mal ein Beispiel, für eine relativ einfache Verhaltensveränderung durch eine "Spontan-Erkenntnis". Oft kann es wirklich schon ausreichen, wenn man sich selbst in einer Situation beobachtet und herausfindet, durch was für ein Gefühl die Gewohnheitshandlung ausgelöst wird. Wie gesagt, das hat jetzt bei mir ganz gut geklappt. Es gibt aber keine Garantie, das das auch bei Ihnen funktionieren kann. Probieren Sie es einfach mal aus und erforschen Sie Ihre Gefühle bei den negativen Gewohnheiten, die Sie gerne verändern möchten. Bis nächste Woche. Dann schreibe ich über einen wirklich schwierigen Selbstcoaching-Versuch.

Ihr

Frank Eric Stockmann

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